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Bolivien: Wasserversorger und Gemeinden schützen gemeinsam Wälder und Wasserquellen

In Bolivien schützen 24.000 Farmer:innen in Zusammenarbeit mit Gemeinden und öffentlichen Wasserversorger mehr als 600.000 Hektar Wald vor Abholzung, Ausbeutung und den Interessen der Bergbauunternehmen – und damit langfristig die regionale Wasserversorgung. Die “Reciprocal Water Agreements” (ARA) gelten inzwischen als Vorbild für Naturschutz in Südamerika: Immer mehr ARA’s werden in Peru, Kolumbien, Ecuador und Mexiko abgeschlossen. Wie funktioniert dieser Vertrag? 

Vor 14 Jahren kaufte María Gutiérrez ein Stückchen Land in Alto Espejo, Santa Cruz, Bolivien. Sie wohnt jetzt direkt am Wald. In ihrem Garten stehen ein paar Obstbäumen und ein kleiner Fluss fließt hindurch. Der Fluss versorgt sie und ihre Tiere mit Trinkwasser. Die Zitronen, Orangen und Mandarinen verkauft sie. Davon lebt María. 

Seit ein paar Jahren macht sie selber Honig. Seitdem ist Marías Leben einfacher geworden, denn dadurch verdient sie 5.000 bis 6.000 Bolivianos (ca. 800 $) zusätzlich im Jahr. Die Bienen, die Boxen und das Erntegerät hat sie von Natura Foundation bekommen. Eine NGO, die sich für Biodiversität und einen nachhaltigen Umgang mit Wasser einsetzt. Im Gegenzug dafür unterzeichnete María das “Reciprocal Water Agreement” (ARA). 

María ist eine von 24.000 Farmer:innen, die ein solches Abkommen unterzeichnet hat. Gemeinsam schützen sie 600.00 Hektar Wald vor Abholzung, vor Verschmutzung und vor den Interessen großer Bergbauunternehmen.   

Was sind “Recipocal Water Agreements” (ARA)

Das “Recipocal Watter Agreement” (Acuerdo Recíproco por Agua) ist eine Vertrag zwischen den Menschen auf dem Land, den Menschen in der Stadt und den öffentlichen Wasserversorger:innen. Kurz: ein Vertrag zwischen allen Menschen, die im selben Wassereinzugsgebiet leben oder sich dieselbe Wasserquelle teilen. Im Grunde genommen ist eine Kooperation, um den natürlichen Wasserkreislauf langfristig zu schützen. Alle arbeiten zusammen und profitieren davon.

Die Idee dahinter ist einfach: 

  1. Farmer:innen und Menschen am Land schützen ihren Wald und erhalten dafür Anreize: z. B. Zugang zu Fließendwasser oder Hilfe beim Anbau von Früchten  
  2. Die Anreize werden von den Gemeinden und den Endverbraucher:innen durch eine kleine Abgabe bezahlt, dafür haben sie langfristig nachhaltiges und sauberes Trinkwasser.
  3. Wasserversorger bauen ihr Netzwerk aus und versorgen die Farmer:innen mit Fließendwasser. 

Definition: Was sind “Reciprocal Watershed Agreements”

 “Reciprocal Watershed Agreements — known as ‘Watershared’ in South America — are simple grassroots versions of conditional transfers that help land managers located in upper watershed areas to sustainably manage their forest and water resources in ways that benefit both themselves and downstream water users.” (Nigel Asquith)

Natura Foundation kümmert sich um die Verträge und beteiligt sich zu Beginn an der Finanzierung der einzelnen Projekte. Der Beitrag beträgt dabei rund 20 Prozent, sodass die Projekte auch nach Ablauf einer gewissen Frist für alle finanzierbar bleiben.  

Anreize: Fließendwasser, ein Bienenstock oder ein Becken für die Fischzucht

Zugang zu Fließendwasser sei der größte Anreiz, so Teresa Vargas, Executive Director von Natura Foundation gegenüber Mongabay. Denn viele der Farmer:innen, die außerhalb der Dörfer und Städte leben, sind noch nicht an das Wasserleitungssystem angeschlossen. 

Je nachdem, was den Menschen vor Ort am meisten hilft, können die Anreize aber auch ganz anders ausfallen: etwa ein Bienenstock, Hilfe beim Anbau von Zitrusfrüchten oder bei der Fischzucht. 

Die Kosten für die Anreize tragend die Wasserversorger:innen, ihre Kund:innen und die Gemeinden. Die Wasserversorger wiederum, verlegen die Leitungen und bringen das Fließendwasser zu den Farmer:innen. Am Ende profitieren alle: Die Natur ist geschützt, die Farmer:innen bekommen ein zusätzliches Einkommen oder Fließendwasser und die Menschen in der Region haben langfristig nachhaltiges und sauberes Wasser.  

Gemeinden, Wasserversorger und Endverbraucher:innen zahlen gemeinsam für die Anreize 

Gemeinden zahlen rund ein Prozent aus Steuereinnahmen und 0,5 Prozent aus dem Budget, das sie von der zentral Regierung erhalten. Die Endverbraucherinnen steuern entweder einen Boliviano pro Monat (0,15 $) oder einen vereinbarten Prozentsatz bei. Alles ganz einfach und ohne Bürokratie direkt über die Wasserabrechnung. Wichtig dabei: Niemand wird gezwungen. Die Verträge und Kooperationen sind freiwillig. 

Je nach Vertrag kommen so unterschiedliche Beträge zusammen, die in eine gemeinsamen Fond verwaltet werden. Bei 8.000 bis 9.000 Verbraucher:innen wären dies rund eine halbe Millionen Bolivianos (ca. 72.000 $). Auch Natura Foundation zahlt mit in den Fond ein. Bei der Vertrags-Regellaufzeit über 10 Jahre, zahlen sie am Ende nur etwa 20 Prozent. Dadurch funktioniert das Projekt auch nach Ablauf des Vertrags und nach dem Ausstieg der NGO. Mit dem Fond können immer neue Anreize finanziert werden. Und so wächst Stück für Stück das Gebiet der geschützten Wälder. 

Schutz für Natur: 23 Naturschutzgebiete in 20 Gemeinden – eine Fläche von 3,4 Millionen Hektar

Die ARA’s als Wasserschutzgebiete sind ein Erfolgsmodell. Auch die Politik in Bolivien interessiert sich inzwischen dafür – aus zweierlei Gründen: 

  1. Die Wasserversorger in Bolivien sind in Genossenschaften organisiert oder in öffentlichen Unternehmen. Die Regierung ist also für die Wasserversorgung verantwortlich. Sie bekommen hier ein Konzept, das in vielen Gemeinden bereits funktioniert und immer mehr Unterstützer:innen zählt. 
  2. Bolivien ist eines der ärmsten Länder in Lateinamerika und leidet stark unter den Folgen der Klimakrise. Doch der Klimawandel ist abstrakt – fehlendes oder verschmutztes Trinkwasser hingegen Realität. Das Thema betrifft alle und bringt die Menschen zusammen. 

Inspiriert durch den Erfolg dieser Wasserschutzgebiete schützen immer mehr Kommunalregierungen ihre Wälder. In den letzten 10 Jahren sind so 23 Schutzgebiete in 20 Gemeinden entstanden. Das sind 3,4 Millionen Hektar Wald, indem der natürliche Wasserkreislauf nicht gestört wird.

Das Modell gilt inzwischen als Vorbild für Naturschutz in Südamerika: Immer mehr ARA’s werden in Peru, Kolumbien, Ecuador und Mexiko abgeschlossen. 

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