Das längste Musikstück der Welt wird in einer Klosterkapelle in Halberstadt gespielt. Es läuft bereits seit knapp einem Vierteljahrhundert. Bis ins Jahr 2640 kann man den Klängen von “Organ²/ASLAP” noch lauschen. Dann – nach 639 Jahren – soll der letzte Ton erklingen. Geschrieben wurde das Stück von dem amerikanischen Komponisten John Cage.
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Das längste Musikstück der Welt: John Cages “Organ²/ASLAP”.
Seit nun schon 22 Jahren ertönt die kleine Orgel in der Sankt-Burchardi-Kirche in Halberstadt. 3 Tasten und fünf Pfeifen – größer ist sie nicht. Im Grunde genommen ist sie auch nichts besonders. Eines jedoch unterscheidet sie von allen anderen Orgeln auf dieser Welt: Auf ihr wird das längste Musikstück der Welt gespielt. 639 Jahre soll es dauern.
Geschrieben hat es der amerikanische Komponist John Cage im Jahr 1987. Es heißt “Organ²/ASLAP”. ASLAP steht für “as slow as possible” und war von Cage als Spielanweisung gedacht. Wer auch immer das Stück spiele, sollte es so langsam wie möglich spielen.
Doch langsam scheint hier fast eine Untertreibung zu sein. Denn ein Ton oder ein Akkord erstreckt sich schon mal über mehrere Jahre. Nur sehr selten kommt es zu einem Klangwechsel. Bisher gab es nur 15 dieser Wechsel. Zuletzt am 5. Februar 2022. Damals ging der bisher längste Ton zu Ende. Er schallte 6 Jahre und 11 Monate durch das Kloster.
Die ursprüngliche Fassung des Stücks ist nur 29 Minuten lang
Die Uraufführung des Stückes dauerte “nur” 29 Minuten und 15 Sekunde. Sie fand im Rahmen eines Klavierfestivals und Wettbewerbs am 14. Juli 1985 in College Park, Maryland (US) statt.
1987 schrieb Cage das Stück für den deutschen Orgelspieler Gerd Zacher um. Auf dieser Version basiert die Fassung, die heute als längstes Musikstück der Welt in der Sankt-Burchardi-Kirche gespielt wird.
John Cage komponierte die Musik ursprünglich für Klavier. Dafür nutzte Cage ein Zufallsprogramm am Computer. Nicht er entschied über die Klangfolge, sondern der Zufall. Das Stück ist in acht gleich lange Abschnitte geteilt, die später auf die gewünschte Spieldauer von 639 Jahre hochgerechnet wurden. Ein Abschnitt dauert somit 71 Jahre lang.
Entstehungsgeschichte: Das längste Musikstück der Welt – wieso ist es 639 Jahre lang?
Das John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt entstand 1988 auf einem Orgelsymposium in Trossingen. Die Idee dahinter: Cages Anweisung “so langsam wie möglich” auf die Spitze zu treiben.
Auch die Länge von 639 Jahr ist nicht zufällig gewählt. Denn 1361 wurde in Halberstadt Deutschlands erste Blockwerk-Orgel fertiggestellt – das sind genau 639 Jahre vor der Uraufführung der Orgel-Version des Stücks. Die Initiator:innen nahmen das zum Anlass und passten die Dauer des Musikstücks entsprechend an.
Getragen wird das Projekt von der John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt. Es wird hauptsächlich durch Spenden finanziert. Immerhin belaufen sich die Kosten für Heizung, Strom und neue Orgelteile auf rund 30.000 bis 50.000 Euro im Jahr.
John Cage als Komponist: Experimente mit dem Zufall
Cage experimentierte immer wieder mit dem Zufall. Er wollte damit der Musik ihre Ursprünglichkeit zurückgeben. Die Musik sollte zu ihm kommen und nicht Ausdruck von Gefühlen, Ideen oder Ordnungsstrukturen sein. Für ihn musste Musik völlig objektiv und frei von ästhetischem Sinn des Künstlers oder der Künstlerin sein.
Das Stück “Concerto for Prepared Piano and Chamber Orchestra” beruht beispielsweise auf einer Methode aus dem chinesischen Orakel-Buch I Ching. So wurden etwa die Orchesterstimmen per Münzwurf ausgelost.